Polizeiliche Kriminalstatistik, Opferhilfe und Wohnbevölkerung

Präambel

Die 1993 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen belegt die internationale Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen eine Verletzung der Menschenrechte und eine Form der Diskriminierung von Frauen darstellt. Die 1995 auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedete Aktionsplattform identifizierte Gewalt gegen Frauen als einen von zwölf kritischen Bereichen, die besondere Aufmerksamkeit von Regierungen, der internationalen Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft erfordern. Die Schweiz war nur Beobachterstaat. Die Schweiz trat den Vereinten Nationen im September 2002 bei. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ist in der Schweiz seit dem 1. Januar 2018 in Kraft.

Im Bereich der häuslichen Gewalt ist die wichtigste Informationsquelle die kantonale polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Das BFS sammelt die kantonalen Daten, erstellt einen Jahresbericht über alle erfassten Straftaten und veröffentlicht verschiedene Indikatoren und Tabellen, die sich speziell auf Gewalt und häusliche Gewalt beziehen. Auch die Kantonspolizeien veröffentlichen jeweils einen eigenen Bericht, der auf ihren eigenen Daten basiert, die sie dem BFS zur Verfügung stelle

Das BFS stellt der Öffentlichkeit seit 2009 jährlich 5 Tabellen zur Gewalt im Allgemeinen und 37 spezifische Tabellen zur häuslichen Gewalt zur Verfügung (Zahlen von 2021).
Im Rahmen der Überwachung des Fortschritts der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (MONET 2030) berechnet das BFS für den Themenbereich “Gleichstellung der Geschlechter” einen Indikator für häusliche Gewalt (SDG 5.2). Für den Themenbereich “Frieden, Gerechtigkeit und wirksame Institutionen” berechnet es zudem einen Indikator für Gewaltdelikte (SDG 16.1). Das BFS berechnet auch für das Legislaturmonitoring einen Indikator für häusliche Gewalt, der mit dem Indikator für das Ziel 2030 identisch ist, und einen Indikator für Gewaltdelikte, der dem Indikator für das Ziel 2030 recht nahe kommt.

Im Bereich der Opferhilfe hat das BFS jährlich 10 Tabellen für den Zeitraum ab 2000 veröffentlicht. Seit 2018 hat das BFS eine Tabelle veröffentlicht, die die Beziehung zwischen Täter/in und Opfer integriert. Diese Daten sind jedes Jahr gegen Ende Juni verfügbar.
Die Statistiken zur Wohnbevölkerung (Anzahl Haushalte, Männer/Frauen, CH/NichtCH), die für die Berechnungen zur Bevölkerung benötigt werden, werden im Oktober veröffentlicht.


Das Wichtigste in Kürze

Die neueste Version des Syntheseberichts ist hier verfügbar (FR, DE).

Opfer von schwerer häuslicher Gewalt

In den Indikatoren für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (MONET 2030) und der Legislaturperiode 2019-2023 ist der Begriff der schweren Gewalt, der bereits für den Indikator Gewaltdelikte restriktiv ist, ein anderer, noch restriktiverer für häusliche Gewalt. So wird beispielsweise Vergewaltigung bei häuslicher Gewalt nicht berücksichtigt. Durch die Anwendung der Definition von schwerer Gewalt gemäß unserem Indikator SDG 5.2-K2.1:

  • Eine Verzehnfachung der Zahl der Opfer von rund 100 auf über 1’300.
  • Ein Anstieg des Anteils weiblicher Opfer von 74% auf 85%.

Die offiziellen Indikatoren unterschätzen sowohl die häusliche Gewalt als auch den Anteil der weiblichen Opfer erheblich.


Opferhilfe und die Dunkelziffer der häusliche Gewalt

Seit 2018 werden detailliertere Statistiken zur Opferhilfe veröffentlicht. Sie erwähnen die Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter sowie das Geschlecht und die Altersklasse des Täters oder der Täterin. Wenn man diese Daten mit den Daten der polizeilichen Kriminalitätsstatistik vergleicht, explodiert die Zahl der Opfer und der Straftaten, sowohl
sowohl insgesamt als auch unter Berücksichtigung des Alters (minderjährig oder volljährig) oder des Geschlechts des Täters. Für den Zeitraum 2018-2022 :

  • Die Zahl der Opfer steigt von 10-11’500 auf 58 – 66’000, wenn man das Geschlecht des Täters und die Art der Beziehung zum Opfer berücksichtigt.
  • Die Zahl der Straftaten steigt von 18-20’000 auf 137 – 152’000.

Das Verhältnis zwischen den Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik und den auf der Grundlage der Daten der Opferhilfe hochgerechneten Zahlen entspricht einigen Schätzungen , die davon ausgehen, dass nur einer von fünf Fällen angezeigt wird.


Häusliche Gewalt für verschiedene Bevölkerungsgruppen

Indem man die Daten der PKS und der Wohnbevölkerung der Schweiz miteinander in Beziehung setzt, kann man feststellen, ob bei verschiedenen Kriterien (Frauen, Männer, Altersklassen) bestimmte Gruppen über- oder unterrepräsentiert sind (relativer Anteil [RA]). Für den Zeitraum 2011 bis 2022 ergibt sich für die Auswirkung des Geschlechts der Opfer folgendes :

  • Männer, die durch jegliche Art von häuslicher Gewalt geschädigt wurden, unabhängig davon, ob sie Schweizer oder ansässige Ausländer (CH oder nicht-CH Ansässige) sind, ein RV von unter 100% aufweisen. Das RV von Schweizern liegt zwischen 30 und 40%, das von Ausländern ist im Anstieg und wird in 2020 über 100% liegen
  • Frauen, die durch jegliche Art von häuslicher Gewalt geschädigt wurden, unabhängig davon, ob sie Schweizerinnen oder ansässige Ausländerinnen sind, ein RV von Nah oder über 100% aufweisen. Das RV der Schweizerinnen liegt bei rund 100% (92% in 2022), der Anteil der Ausländerinnen ist seit 2011 von 320% auf 270% gesunken (284% in 2022).
  • Schweizer Frauen quotenmässig dreimal häufiger geschädigt werden (schwere häusliche Gewalt) als Schweizer Männer. Ausländerinnen werden acht bis zehnmal häufiger geschädigt als Ausländer und sogar fast zehn bis zwölf mal häufiger als Schweizer Männer.

Jugendliche unter 18 Jahren

Werden die Berner Statistiken über die Anwesenheit von Kindern bei Einsätzen der Kantonspolizei berücksichtigt, schwankt der Anteil der weiblichen Opfer seit 2010 zwischen 350 und 370%. Bei den männlichen Opfern im Teenageralter schwankt das RV zwischen 280 und 300%.

Diese Zahlen verdeutlichen das sehr hohe Risiko künftiger häuslicher Gewalt durch Nachahmung.